Kleine Zeitung, 20. September 2022
Daniela Bachal
Frage & Antwort: Welche Kritiken sich Unternehmen gefallen lassen müssen und wann eine Ein-Stern-Bewertung rechtswidrig ist.
1. Wie lässt sich anschaulich erklären, was eine unzulässige Online-Bewertung ist?
Antwort: Der Grazer Rechtsanwalt Stefan Schoeller gibt ein Beispiel:
„Ein geschiedener Mann ruft die Anwältin seiner Ex-Frau nach einer gescheiterten Vergleichsverhandlung im Sekundentakt an, um das Kanzleitelefon zu blockieren. Danach gibt er auf Google eine Ein-Stern-Bewertung ab und schreibt dazu: ‚Meine Anrufe werden ignoriert und meine Nummer wurde gesperrt. Somit ist die Rechtsanwaltskanzlei mit meiner Nummer nicht erreichbar.‘“
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat diese Online-Bewertung als kreditschädigend nach Paragraf 1330 ABGB beurteilt. Der Anrufer verlor den gegen ihn von der Anwältin eingeleiteten Unterlassungsprozess, da nicht erkennbar war, warum seine Anrufe gesperrt wurden.
2. Wo steht im Gesetz, was eine zulässige Bewertung ist?
Antwort: Die Grenzen der Zulässigkeit ergeben sich aus Paragraf 1330 ABGB, der Ehrenbeleidigungen und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen regelt.
Laut Schoeller gibt es keinen Unterschied zwischen Äußerungen im echten Leben und in der digitalen Welt.
- Bewertungen zu Unfreundlichkeit oder Unpünktlichkeit sind zulässig.
- Der Vorwurf eines Regelverstoßes, einer Gesetzesverletzung oder einer Berufspflichtverletzung ist eine Tatsachenbehauptung, die der Bewertende vor Gericht beweisen muss.
Ein-Stern-Bewertungen ohne Text sind immer zulässig, da sie als subjektives Werturteil gewertet werden.
3. Welche Handhabe gibt es gegen schlechte Kritiken von Personen, die gar nicht Kunden waren?
Antwort: Rezensionen müssen von tatsächlichen Kunden stammen.
Es ist unzulässig, dass Freunde eines enttäuschten Kunden ebenfalls negative Bewertungen abgeben, um dessen Unmut zu verstärken. Hier kann auf Unterlassung geklagt werden.
Schoeller sagt dazu: „Ich habe solche Fälle schon erfolgreich durchgesetzt.“
4. Muss ein Unternehmen Bewertungen im Internet hinnehmen?
Antwort: Ja, das hat der OGH vor kurzem bestätigt.
Der Fall betraf eine Plattform, auf der Schulen und Lehrer bewertet wurden. Das Höchstgericht stellte klar, dass es in einer demokratischen Gesellschaft möglich sein muss, Kritik zu äußern.
Daher muss sich ein Unternehmen gefallen lassen, dass es im Internet bewertet wird.
5. Muss man bei einer Bewertung seinen echten Namen angeben?
Antwort: Nein, laut OGH gibt es ein gewisses Recht auf Anonymität im Internet.
Allerdings muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden:
- Bewertete Personen oder Unternehmen haben ein Interesse daran, die Identität ihres Kritikers zu erfahren.
- Das Recht auf Anonymität im Netz ist jedoch anerkannt.
Laut Schoeller ist noch kein endgültiges Urteil dazu gefällt worden.
6. Muss eine Bewertungsplattform die Daten von Nutzern bekannt geben?
Antwort: Wenn eine Rezension rechtswidrig ist, muss der Plattformbetreiber die Daten des Verfassers herausgeben.
Laut E-Commerce-Gesetz besteht eine Herausgabepflicht, wenn:
- Ein überwiegendes Interesse des Verletzten an den Nutzerdaten vorliegt.
- Eine erste grobe Prüfung durch den Plattformbetreiber eine mögliche Rechtsverletzung ergibt.
Bei schweren Verstößen, wie der falschen Behauptung, dass jemand eine Straftat begangen hat, oder einer groben üblen Nachrede, ist die Herausgabe der Nutzerdaten wahrscheinlich.
Die Judikatur zu diesen Fällen ist jedoch noch nicht vollständig ausgereift.
7. Wie sind gekaufte oder Gefälligkeitsrezensionen einzuordnen?
Antwort: Gekaufte Bewertungen stammen oft von Personen, die keine echten Kunden sind oder nur deshalb positiv bewerten, weil sie dafür bezahlt werden.
Laut Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) gelten solche Bewertungen als irreführende Geschäftspraktik.
- Die Arbeiterkammer, der VKI oder Konkurrenzunternehmen können dagegen Unterlassungsklagen einreichen.
- Verbandsklagen sollen die Verlässlichkeit von Bewertungsportalen erhöhen.
8. Welche Änderungen bringt die nächste UWG-Novelle?
Antwort: Der neue Entwurf nimmt Fake-Bewertungen und Fake-Empfehlungen ins Visier. Diese werden ausdrücklich als irreführende Geschäftspraktik bezeichnet.